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Sterbebegleitung: Licht am Ende des Tunnels

Sterben ist in der Gesellschaft immer noch ein Tabuthema. Nicht so für all jene Pflegeeinrichtungen, die sich mit ihrem Einsatz für schwer kranke und sterbende Menschen täglich um Aufklärung bemühen.

Auf einer Trauerkarte lese ich den Spruch: «Der Tod ist nicht das Ende, nicht die Vergänglichkeit. Der Tod ist nur die Wende, Beginn der Ewigkeit.» Wahrlich berührende Worte – und dennoch macht uns der Tod Angst. So sehr, dass wir ihn ein Leben lang in der tiefsten Schublade unseres Unterbewusstseins verbergen und uns nicht mit ihm befassen mögen, solange es uns gutgeht. Doch irgendwann können wir uns nicht mehr verstecken – der Tod ist unausweichlich.

Das Kleid des Lebens

Ob wir Angst haben vor dem Lebensende, hängt massgeblich von unserer Einstellung und unserem persönlichen Glauben ab. Es gibt viele inspirierende Glaubensmodelle, die uns Ängste und Zweifel nehmen und uns zu mehr innerem Glück und Frieden verhelfen können. Um sie zu entdecken, muss man sich allerdings auf sie einlassen und sich mit ihnen befassen. Wir haben die Wahl, ob wir den Tod als unentrinnbares «Damoklesschwert» oder als willkommenes Tor in eine andere, bessere Welt betrachten möchten. Jeder «Wahrheitssucher» darf sich irgendwann eingestehen, dass die letzte und endgültige Wahrheit vielleicht diejenige ist, dass es keine letzte, endgültige und einzige Wahrheit gibt. Vielleicht ist jede einzelne Ansicht eines jeden Menschen auf dieser Welt eine Farbnuance desselben Regenbogens, also nur eine von vielen möglichen Perspektiven auf das «grosse Ganze». Alle Wahrheiten zusammen ergeben den Regenbogen, so, wie Millionen kleinster Tropfen den Ozean bilden. Ich möchte gerne glauben, dass der irdische Körper nur das «Kleid der Seele» ist, das wir am Ende unserer Tage ausziehen, um in unsere wahre Heimat zurückzukehren – wo auch immer diese sein mag.

Sterbebegleitung heute

Man hört immer mehr über «Palliative Care» und allmählich beginnt sich dieser Bereich der ganzheitlichen Betreuung und Pflege am Lebensende in der Gesundheitslandschaft zu etablieren. In der Palliative Care geht es um viel mehr als nur um Sterbebegleitung unmittelbar am Lebensende. Sie beginnt da, wo für uns eine Welt zusammenbricht und bietet ein fürsorgliches, tröstendes, verständnisvolles Gefäss der Begegnung für den direkt Betroffenen wie sein Umfeld gleichermassen. Offene Gespräche, zwischenmenschliche Nähe, aufgefangen werden und aufgehoben sein sind wichtige Grundpfeiler in der Sterbebegleitung. Als besonderes Bindeglied und Nischeneinrichtung neben Akutspitälern, Pflegeheimen und der Betreuung zu Hause gibt es die Hospize. Ein Hospiz ist eine Institution, in der nicht mehr die Heilung des Patienten im Vordergrund steht, sondern eine möglichst umfassende Linderung der Beschwerden sowie eine empathische Begleitung des Betroffenen und seiner Angehörigen. Die allgemein den Hospizen zugrunde gelegte Ansicht, dass Sterben, Tod und Trauer zum Leben gehören, macht es überdies zu ihrer Aufgabe, Aufklärungsarbeit zu leisten und diese schweren Themen in die Gesellschaft zu integrieren. Erst, wenn wir diesen wieder einen Platz in unserem Leben einräumen, können wir uns mit ihnen aussöhnen. So sind Hospize heute moderne und dennoch familiäre, vorwiegend stationäre, medizinische, psychosoziale Pflegeinstitutionen und Kompetenzzentren der spezialisierten Palliative Care.

Ein bisschen Hospiz-Geschichte

Der Begriff «Hospiz» stammt aus dem Lateinischen «hospitium» und bedeutet «Herberge, Gastfreundschaft». Das erste stationäre Hospiz, welches als Sterbebegleitungseinrichtung geführt wurde, entstand dank Cicely Saunders 1967 in England. Knapp zwanzig Jahre später schwappte die Hospizbewegung dann von der Insel auch auf das Festland über und liess sich in Deutschland nieder. Viele Hospize bieten zusätzlich ambulante Betreuungen bei den Patienten zu Hause sowie Trauerbegleitung («Trauer-Treffs») an, wie zum Beispiel Hospiz Aargau, eines der ersten Hospize in der Schweiz, gegründet 1994 von der heute 90-jährigen Schweizerin Luise Thut.

Freund oder Feind?

Der Tod gehört zum Leben wie die Nacht zum Tag. Es ist wichtig, genauso über ihn zu sprechen wie über andere alltägliche Dinge. Viele Menschen empfinden es als Erleichterung, sich endlich einmal offen, ehrlich und auf Augenhöhe über das Sterben unterhalten zu können. Der Tod kann ein vermeintlicher Feind sein, der uns alles nimmt, was wir lieben, aber auch der Freund, der uns in den Hintern tritt, um Dinge in Angriff zu nehmen, die wir schon längst in Angriff hätten nehmen sollen. Er löst in uns die widersprüchlichsten und emotionalsten Gefühle aus, derer wir fähig sind. Wir können ihn bis zum Schluss als übermächtigen Gegner betrachten, vor dem wir kapitulieren müssen, oder als den Verbündeten, der über uns kommt, wie der segenspendende Regen über vertrocknendes Land. Ich erinnere mich an die ganz besonderen Menschen, die im Hospiz ihre letzte Reise antreten durften. Die meisten sind dank sehr gut eingestellter Schmerzmedikation und der einfühlsamen Betreuung und Aufarbeitung persönlicher Themen friedlich eingeschlafen, andere haben mit ihrem schwarzen Humor über sich selber und den Tod gelacht und den Sterbeprozess entspannt, ganz bewusst und mit offenen Sinnen in Angriff genommen. Es sind nur wenige, die bis zum Schluss haderten, vorwiegend jene, die den Tod ein Leben lang aus ihrem Leben ausgeklammert haben. Vielleicht sollten wir den Tod weder fürchten noch verurteilen, sondern uns neugierig darauf einlassen, was wir durch seine Präsenz noch lernen und erfahren dürfen. Lassen Sie uns darauf vertrauen, dass wir alle unser «Happy End» verdient haben und nur in der Dunkelheit die Sterne sehen …

Ohne Spenden keine Hospize

Hospize sind im Schweizer Gesundheitswesen nicht vorgesehen und suchen noch ihren Platz zwischen Spitälern und Pflegeheimen. Deshalb ist ihre Finanzierung derzeit nicht einheitlich und nur ungenügend geregelt. Bei Hospizen, die der Langzeitpflege («Pflegeheim») zugeordnet sind – und das ist die grosse Mehrheit –, werden nur gerade knapp zehn Prozent der Pflegeleistungen von den Krankenkassen vergütet, zehn Prozent der Kosten übernimmt die öffentliche Hand (Wohngemeinden) und jeweils vierzig Prozent müssen vom Patienten getragen und durch hospizinterne Gelder (Spenden, Legate) finanziert werden. Jährlich kämpfen Hospize trotz ihres enormen Einsatzes um ihr Überleben.