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Sturzgefahr: Wie das Trottoir nicht zur Rutschbahn wird

Bei Schnee und Eis auf den Gehwegen rutschen jeden Winter viele Fussgänger aus. Nicht immer gehen Stürze glimpflich aus. Ein Fachmann erklärt, wie man sich vor Verletzungen schützen kann.

Oft ist man gar nicht darauf vorbereitet: Am Morgen beim Blick aus dem Fenster ist alles weiss. So still und verzaubert sich die Welt nach frischem Schneefall präsentieren mag – sie birgt auch einige Gefahren. Wenn Strassen und Trottoirs von Schnee und Eis überzogen sind, haben Ärzte alle Hände voll zu tun. Viele Menschen rutschen aus und brechen sich die Knochen, zerren sich die Sehnen oder verstauchen sich die Gelenke. Bei den Unfallversicherungen für Werktätige gehen an manchen Wintertagen bis zu 2000 Meldungen wegen Sturzverletzungen ein. Im Jahresdurchschnitt sind es etwa 500.

Genügend Zeit einplanen

«Im Winter steigt das Risiko für Stürze markant», weiss Raphael Ammann, Kampagnenleiter Stolper- und Sturzunfälle bei der Unfallversicherung Suva. Oft passiert es, wenn man in Eile ist. Ein Klassiker ist der Sprint zum Bus, bei dem man eine glatte Stelle übersieht und hinfällt. Ammann rät deshalb, im Winter rechtzeitig aufzustehen, die Wettersituation einzuschätzen und bei Rutschgefahr etwas früher aus dem Haus zu gehen. «Fussgänger können nicht erwarten, dass der Winterdienst stets jedes kleinste Strässchen einwandfrei räumt», stellt der Fachmann klar. Die Verantwortlichen hätten meist genug damit zu tun, die am stärksten frequentierten Strassen zu pfaden und salzen.

Schuhwerk anpassen

Für sicheren Tritt ist angepasstes Schuhwerk unumgänglich: gutes Profil und rutschfeste Sohlen mit flachen Absätzen. Wenn Ammann auf den Strassen unterwegs ist, fallen ihm auch bei winterlichen Verhältnissen häufig Menschen in feinen Lederschuhen, Ballerinas oder Stoffschuhen mit glatter Sohle auf. «Viele Leute haben kaum mehr einen Bezug zum Wetter, weil sich das Leben heute hauptsächlich in geschlossenen Räumen abspielt», hat der Experte den Eindruck. Wer an der Arbeit elegante Schuhe tragen muss oder will, der solle sie mitnehmen und sich am Arbeitsort umziehen, rät er.

Auch jungen Leuten passiert es

Vor allem jüngere Menschen seien oft mit unpassenden Tretern unterwegs, beobachtet Ammann. Dabei verunfallen sie nicht etwa seltener als ältere Menschen, wie die Zahlen der Suva zeigen. Auch Personen, die noch gut zu Fuss sind, landen im Winter häufig in den Notfallabteilungen der Spitäler. Zum Beispiel, wenn sie die eisige Stelle auf dem Trottoir übersehen haben, weil sie von ihrem Handy abgelenkt waren. Allerdings erholen sich Jüngere in der Regel schneller wieder von Stürzen als Ältere, weil ihre Knochen und Sehnen noch besser heilen.

Winterpneus für die Füsse

Bei Senioren dagegen kann ein Sturz verheerende Auswirkungen haben – sei es auf dem Teppichrand in der Wohnung oder im Winter auf der Strasse. Sie haben meist sprödere Knochen, die schneller brechen und danach weniger gut wieder zusammenwachsen. Eine häufige Bruchstelle ist der Schenkelhals, der den Oberschenkelknochen mit dem Hüftgelenk verbindet. Ein entsprechender Unfall kann der Gehfähigkeit von Betagten von einem Moment auf den anderen ein Ende setzen und sie an Bett und Rollstuhl binden. Auch Fussknochen, Unterarme und Schultergelenke werden bei Stürzen häufig verletzt. Menschen mit unsicherem Gang empfiehlt der Suva-Experte deshalb, vorbeugend Spikes an den Schuhen zu befestigen. Dabei handelt es sich um eine Art zweite Schuhsohlen, die mit kleinen Spickeln bestückt sind. Sie sind in Schuhläden erhältlich. Während Spikes in nördlichen Ländern schon stark verbreitet sind, sieht man sie hierzulande noch eher selten.

Achtung, Treppen und Velos

Besonders viele Sturzunfälle im Freien ereignen sich auf Treppen. Glatte Beläge oder Unebenheiten auf ausgetretenen Stufen stellen eine Gefahrenquelle dar. Falls vorhanden, sollte man auf Treppen stets den Handlauf benutzen. Bei Schnee und Eis sollte man zudem auf das Velofahren verzichten. Denn während die Strassen auf den Fahrbahnen für die Autos meist gut geräumt sind, gehen die Velostreifen häufig vergessen. Dies, obwohl man auf zwei Rädern besonders schnell aus dem Gleichgewicht gerät. Herrscht bei einem Sturz dann auch noch reger Verkehr, wird es für Velofahrer sehr gefährlich. Heimtückisch sind auch Strassenabschnitte mit nassen Stellen, die bei Temperaturen unter dem Nullpunkt zu spiegelglatten Flächen gefrieren. In der Dämmerung oder Dunkelheit ist dies manchmal fast nicht zu erkennen.

Beweglich bleiben

Eine weitere Massnahme, um sich ein Gipsbein zu ersparen, ist regelmässige Bewegung. Körperlich Fitte verhalten sich bei einem Ausrutscher meist geschickter und verletzen sich weniger stark als übergewichtige und unbewegliche Personen. Zudem baut man mit körperlicher Aktivität die Muskeln auf, welche die Knochen stabilisieren, und fördert die Dichte der Knochen, sodass sie weniger schnell brechen. «Stürzen und Stolpern ist die Unfallursache Nummer eins», weiss Raphael Ammann. Jedes Jahr verletzen sich dabei über 300 000 Personen in der Schweiz – sowohl am Arbeitsplatz als auch in der Freizeit, in Räumen und im Freien, sommers und winters. Während es zuweilen bei ein paar blauen Flecken bleibt, haben viele Stürze auch schwerwiegende Folgen. So ist etwa fast jede zweite Invalidenrente auf einen Sturz zurückzuführen, weiss der Kampagnenleiter. Und er ist überzeugt: «Viele wären mit etwas mehr Aufmerksamkeit zu vermeiden.»

Schaufel, Salz und Split

Im Winter sollten Hausbesitzer die Schneeschaufel stets griffbereit haben. Um sich und andere Personen nicht zu gefährden, sind sie verpflichtet, regelmässig den Schnee vor ihrem Haus inklusive Zufahrt zu räumen und bei Bedarf auch zu salzen oder Split zu streuen. Im Prinzip können sie haftbar gemacht werden, sollte sich jemand auf ihrem Grund verletzen, weil sie ihre Pflichten vernachlässigt haben. Dabei gilt aber Augenmass und gesunder Menschenverstand. So müssen die Wege nicht rund um die Uhr freigeschaufelt werden. Die Zeiten etwa zwischen 7 und 21 Uhr sollten aber gut begehbar sein.