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Selbstmotivation: Wie geht das?

Selbstmotivation, die mit Energie und Unternehmungslust zu tun hat, kann erlahmen. Die deutsche Psychotherapeutin und erfolgreiche Sachbuchautorin Dr. Bärbel Wardetzki erklärt, was Selbstmotivation in Schwung bringt und was sie hemmt.

Hat ein Mensch, der Aufgaben mit freudigem Eifer anpackt, die Gabe der Selbstmotivation?
Dr. Bärbel Wardetzki*: Nun ja, in diesem Fall steht nicht unbedingt die Motivation im Vordergrund, sondern der Wunsch, etwas anzupacken oder eine Idee zu realisieren – was selbstverständlich der Selbstmotivation Auftrieb gibt. Ein in diesem Sinne zupackender Mensch steht meist in gutem Kontakt zu sich selbst und hat wenig Angst: Die Lust ist grösser als die Angst.

Weshalb schreckt man häufig vor einer Unternehmung oder einem Entschluss zurück, obwohl man weiss, dass die Sache wichtig und richtig wäre?
Ein spannendes Problem! Wir wissen, dass dies oder jenes gut für uns wäre. Dennoch tun wir es nicht und wenden uns etwas anderem, vermeintlich noch Wichtigerem zu. Dies kann sich auf der ganz alltäglichen Ebene abspielen. Man weiss beispielsweise,
dass einem ein paar morgendliche Körperübungen gut täten – aber da ist auch das
Bedürfnis, noch eine Weile im warmen Bett zu bleiben. Wir haben es hier mit dem
ganz und gar menschlichen Vermeidungsverhalten zu tun.

Sitzt dieses Vermeidungsverhalten in unseren Genen?
Wir sind polar strukturiert und bewegen uns stets zwischen zwei Polen. Und immer stellt sich die Frage, in welche Richtung wir gehen sollen.

Wie soll man sich in diesem verwirrenden «Sowohl-als-auch» verhalten?
Die Zweipoligkeit führt uns tatsächlich immer wieder in Konfliktsituationen: Ein Impuls zieht uns nach links, ein anderer nach rechts – wir stehen hilflos in der Mitte und unsere Selbstmotivation wird immer schwächer. Ärgern wir uns über unser Versagen, machen wir uns selbst nieder oder zwingen wir uns ständig, etwas zu tun, das wir eigentlich gar nicht tun möchten, setzen wir uns einer zusätzlichen Verwirrung aus. Die Einsicht, dass wir uns selbst am Weiterkommen hindern, weil wir uns nicht entscheiden können, ist hilfreich. Nochmals zurück zum konkreten Beispiel mit den Gymnastikübungen: Mir persönlich ist bewusst, dass sie mir guttun. Aber ich entscheide aus meinem inneren Gefühl heraus, ob ich sie mache oder an diesem Tag eben nicht. Ich lasse meinen Körper entscheiden, ob er will oder nicht. Und bin so mit den beiden Seiten in mir versöhnt.

Es wäre gut, wenn wir unsere Polarität ganz einfach in Demut annehmen würden?
Tatsache ist, dass wir alle mindestens zwei Seiten haben – und oft noch einige mehr. Begreifen wir, dass diese Gleichzeitigkeit zwischen dem Wollen und dem Nichtwollen besteht, bekommen wir die Chance, beide Seiten anzuschauen, sie miteinander in Kontakt zu bringen und dann zu entscheiden. Die Erkenntnis, dass zu allem, was wir tun, immer auch das Gegenteil gehört, macht das Leben leichter. Sie nimmt mich aus der ständigen Konfliktsituation heraus und macht mich handlungsfähiger.

Aber besteht da nicht die Gefahr, dass wir zu sehr in Bequemlichkeit abdriften?
Das kann, muss aber auch nicht sein. Wenn wir mit unseren zwei oder mehr Seiten gut in Kontakt sind, kann auch der Impuls kommen: «Hallo, und jetzt nimm endlich deinen Hintern hoch!“ Abgesehen davon darf man auch ab und zu mal faul sein. Eine Ruhephase kann durchaus geeignet sein, mich neu zu motivieren und aktiv werden zu lassen.

Steht Selbstmotivation in engem Kontakt mit dem Selbstwertgefühl?
Ja, und die Chance, ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln, bietet sich auf verschiedenen Ebenen an. Zum einen ist es eine positive Wahrnehmung der eigenen Person, es gehört aber auch die Selbstwirksamkeit dazu. Und die Fähigkeit, gute Beziehungen zu Gleichgesinnten zu pflegen oder dankbar festzustellen, dass ich gute Freunde habe oder in einer verlässlichen Partnerschaft lebe.

Haben das Elternhaus und ebenso die Schule grossen Einfluss auf die Entwicklung des Selbstwertgefühls?
Was Sie da ansprechen, gehört zur Basis eines guten Lebens. Ein Kind, das in seiner Familie stabile Bindungsmöglichkeiten hat und von seinen Eltern so wahrgenommen wird, wie es ist, wird ein besseres Lebensgefühl entwickeln als eines, das sich entwertet fühlt, auf Anpassung getrimmt wird und nur eine unsichere Beziehung erlebt. Solch ein Kind hat mehr Angst, es fehlt ihm an Selbstsicherheit und es ist aggressiver. Die ersten Beziehungen innerhalb der Familie sind die Beziehungsmatrix für das spätere Leben.

Hat der Begriff «Selbstwirksamkeit» etwas mit Selbstmotivation zu tun?
Selbstwirksamkeit bedeutet, dass ich Vertrauen in mich selber und in meine Wirkfähigkeit habe. Dass ich etwa sagen kann: «Es lohnt sich, zu lernen; es lohnt sich, Kraft und Energie zu investieren; es lohnt sich, Selbstmotivation in Gang zu bringen, die Ärmel hochzukrempeln und etwas zu tun.» Selbstwirksamkeit bedeutet, dass ich meinen Fähigkeiten traue und davon ausgehe, dass meine Anstrengung zu einem positiven Ergebnis führen kann. Fehlt diese Einstellung, kann es zu Schwierigkeiten kommen. Ich erinnere mich an eine Klientin, die hochintelligent war und ihre Begabung auch immer wieder eindeutig unter Beweis stellte. Aber sie schmiss die eine oder andere Prüfung, weil sie extrem unter Prüfungsangst litt. Sie war nicht in der Lage, sich zu sagen: «Mensch, du hast es doch immer wieder geschafft – warum sollte es nicht auch diesmal wieder gut gehen?» Menschen mit einem Mangel an Selbstwirksamkeit sagen sich: «Ach, was soll ich überhaupt anfangen. Ich bin doch eh zu blöd.» Sie geben sich nicht die Chance, mit einem weiteren Versuch die Gewissheit zu bekommen, dass sie durchaus nicht so blöd sind, wie sie befürchtet hatten.

Kann Selbstwirksamkeit und damit die Selbstmotivation gestärkt werden, wenn ich aufhöre, mich mit anderen, vermeintlich erfolgreicheren Menschen zu vergleichen?
Ach ja, da erwähnen Sie eine jener Methoden, die uns garantiert unglücklich machen. Es ist nur natürlich, dass man sich umschaut und abschätzt, wo ungefähr man im Vergleich mit anderen steht. Unter Umständen sagt man sich: «Guck mal, der hat das oder jenes erreicht. Vielleicht erreiche ich das ja auch?» So gesehen ist der Vergleich ein Motivationsfaktor. Leider vergleichen wir uns aber zu oft mit Superstars und Superhelden und nutzen den Vergleich, um uns selbst einzureden, dass wir nicht gut genug sind. Ist der Blick auf mich selbst negativ, hat dies unweigerlich negative Konsequenzen, sowohl auf meine Beziehungen als auch auf meine Leistungsfähigkeit, ebenso für meine Motivation und mein Wohlbefinden.

Wir sollten freundschaftlicher mit uns umgehen?
Wenn ich mich selbst bekämpfe, habe ich ein Problem. Und da sind wir erneut beim Thema Polarität. Manches an mir mag ich nicht. Aber wo ist der Teil, den ich mag, der mich mag? Ich muss nicht in Selbstentwertung verharren, sondern kann meine positiven Eigenschaften wahrnehmen und vielleicht sogar stärken. Allerdings sollten wir Abschied nehmen von übertriebenen Ansprüchen. Es gibt Menschen, die von allen geliebt werden möchten. Eine absurde Idee. Wichtig ist doch die Frage: «Von wem möchte ich geliebt werden? Was kann ich dazu beitragen, dass diese Menschen mich mögen? Und was liebe ich an mir selber?» Was ich von den anderen haben will, ist nämlich immer das, was ich mir selbst nicht gebe. Das Allererste, was wir uns selbst zuliebe tun können: Stellen wir uns am Morgen vor den Spiegel, blicken wir uns freundlich an und begrüssen uns mit einem herzlichen «Guten Morgen, mein Lieber, meine Liebe!»

Bücher zum Thema
Bärbel Wardetzki:
Souverän und selbstbewusst. Der gelassene Umgang mit Selbstzweifeln.
Nimm’s bitte nicht persönlich. Der gelassene Umgang mit Kränkungen.
Kösel-Verlag.

* Dr. Bärbel Wardetzki ist Psychotherapeutin und erfolgreiche Sachbuchautorin (www.baerbel-wardetzki.de).