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Kinderzähne: Zeigt her eure Zähne!

Früh übt sich – das gilt auch für die Mundhygiene. Doch wie den quengelnden Nachwuchs zur täglichen Zahnpflege motivieren?

astreaAPOTHEKE hat mit dem Kinderzahnarzt Dr. med. dent. Volker Weiss über kindliche Geschmacksvorlieben bei Zahncremes, musikalische Putzrituale und Rettungsboxen für ausgeschlagene Zähne gesprochen.

Herr Dr. Weiss, wann sollte man mit dem Zähneputzen bei Kindern anfangen?
Dr. med. dent. Volker Weiss:
Sobald die ersten Milchzähne zu sehen sind: Sie zeigen sich mit etwa sechs bis acht Monaten.

Welche Utensilien braucht es dafür?
Entweder eine kleine Kinderhandzahnbürste mit sehr weichen Borsten oder einen speziellen Fingeraufsatz, wobei eine optimale Reinigung mit der Zahnbürste besser gelingt. So mancher schwört auf eine elektrische (Schall-)Zahnbürste. Wegen der einfacheren Handhabung sollte man ein Modell mit rundem Aufsatz wählen. Zu beachten ist allerdings: Man kann mit der elektrischen Variante schlecht, mit einer Handzahnbürste gut putzen – beziehungsweise umgekehrt. Gründlich putzen ist also das Wichtigste!

Geht es um die Putztechnik, sind sich Experten oft uneinig …
Das stimmt, wobei es bei den ganz Kleinen noch einfach ist: Im Vordergrund steht, dass die Zähne von allen Seiten – ohne besondere Technik – behutsam, aber gründlich gereinigt werden. Im Alter von etwa vier Jahren lernen Kinder unter Aufsicht langsam selbst zu putzen: zuerst die Kauflächen, danach die Aussen- und dann die Innenseiten der Zähne mit kreisenden Bewegungen (abgekürzt KAI oder für Kinder verständlicher: «Böden, aussen, innen»).

Wie oft sollte geputzt werden?
Bis zum ersten Geburtstag einmal am Tag. Ab dem ersten Altersjahr zweimal täglich. Allgemein gültige Richtlinien gibt es nicht!

Viele Kinder sind vom Zähneputzen nicht gerade begeistert …
Deshalb ist es wichtig, dem Kind die konsequente Zahnpflege spielerisch und zwanglos näherzubringen. Man kann zum Beispiel Musik dabei hören und wenn das Lied nach etwa drei Minuten aus ist, ist man auch mit dem Zähneputzen fertig. Am besten, man putzt sich gemeinsam mit dem Kind die Zähne und zeigt: «Siehst du, das gehört genauso zum Alltag wie das Duschen oder Kämmen.»

Und wenn das Kind trotzdem protestiert?
Dann sollte man herausfinden, woran das liegt. Nicht selten mögen Kinder die Zahncreme nicht. Dann einfach einmal eine andere Sorte probieren.

Worin unterscheidet sich die Kinderzahncreme von einer für Erwachsene?
Sie wirkt weniger abrasiv, schleift die Zahnoberfläche also weniger stark ab. Ausserdem sind die Pasten für Erwachsene geschmacklich oft zu scharf. Deshalb gibt es für unterschiedliche Altersstufen auch verschiedene Geschmacksrichtungen. Kinderzahncremes enthalten zudem dem Alter entsprechend weniger Fluorid.

Was macht das Fluorid in der Zahncreme?
Die Zähne remineralisieren über den Speichel: Kalzium wird in den Zahn eingebaut, der Zahnschmelz wird gehärtet. Fluorid, ein Salz, das auch in natürlichem Mineralwasser vorkommt, beschleunigt diesen Vorgang. Die in der Zahncreme enthaltene Fluoriddosis stellt keine Gefahr für die Gesundheit dar. Das wurde wissenschaftlich gut untersucht.

Ab wann können sich Kinder «eigenverantwortlich» die Zähne putzen?
Normalerweise sind sie im Alter von ungefähr neun bis zehn Jahren so weit. Das ist von Kind zu Kind verschieden und von den jeweiligen motorischen Fähigkeiten abhängig.

Wie sieht es mit Zahnseide und Interdentalbürstchen aus?
Diese Hilfsmittel sollten die Eltern bei kleinen Kindern vorsichtig anwenden, damit das Zahnfleisch nicht verletzt wird.

Was wird häufig falsch gemacht?
Die oberen Zähne sind oft sauber, die unteren gelb. Hilfreich ist dann, die Reihenfolge der zu putzenden Zahnareale zu ändern: zum Beispiel die unteren Zähne zuerst, dann die oberen und zum Schluss die Kauflächen. Oft wird auch zu schnell und zu wenig gründlich geputzt.

Wie steht es allgemein um die Zahngesundheit der Kinder?
Als Kinderzahnarzt sehe ich leider wieder vermehrt Karieslöcher in den Zähnen, vor allem im Bereich der Zahnzwischenräume. Das deutet darauf hin, dass Kinder Süssgetränke wie säurehaltige Fruchtsäfte oder Limonaden konsumieren. Ausserdem werden die Zähne nicht ausreichend gepflegt. Lieber seltener Süssigkeiten, Süssgetränke/Fruchtsäfte konsumieren, denn kariesbildende Bakterien im Mund bauen Zucker in Säure um. Nach jedem Trinken/Essen den Mund mit Wasser spülen und die Zähne putzen. Unterwegs darf es statt dieser Massnahmen auch mal ein zuckerfreier Zahnpflegekaugummi sein.

Diese kariesbildenden Keime sind auch der Grund, warum Eltern den Nuggi oder den Löffel der Kinder nicht ablecken sollten …
Genau! Man vermutet, dass sonst in einem bestimmten Säuglingsstadium die Übertragung dieser Bakterien von der erwachsenen Person auf das Kind stattfinden kann.

Aber Karies ist nicht die einzige Zahnerkrankung bei Kindern …
Karies steht klar im Vordergrund. Immer wieder sehe ich aber auch Kinder mit «Kreidezähnen», auch MIH (Molare Inzisive Hypomineralisierung). Bei dieser Störung der Zahnschmelz-Remineralisierung weisen die vorderen Zähne helle Flecken auf, während die Backenzähne bräunlich aussehen. Diese Zähne sind sehr schmerzempfindlich, manchmal sind sie sogar porös. Die Ursache für diese rätselhafte Erkrankung ist noch nicht geklärt. Ein Kind, das von MIH betroffen ist, sollte möglichst frühzeitig zahnärztlich behandelt werden.

Zahnunfall – und jetzt?
Raufen, Rennen, Herumtollen: Eine falsche Bewegung und schon hat es einen oder mehrere Zähne böse erwischt. Das ist im Notfall zu tun:
Der Zahn ist teilweise beschädigt/abgebrochen: Liegt der Zahnnerv frei, muss der verletzte Zahn noch am selben Tag vom Zahnarzt versorgt werden. Später erfolgt dann ein kosmetischer Zahnaufbau.
Der Zahn ist komplett draussen (inklusive Zahnwurzel): Während Milchzähne nicht gerettet werden können, muss es bei den Bleibenden schnell gehen: Den Zahn in eine Zahnrettungsbox mit Nährlösung (gibt es in der Apotheke), zur Not in einen Behälter mit H-Milch, legen. Darauf achten, dass der Zahn möglichst sauber bleibt. Dann sofort zum nächsten Zahnarzt: Nur so ist die Chance gross, dass der Zahn durch eine zahnmedizinische Behandlung wieder einwachsen kann.

*Dr. med. dent. Volker Weiss ist einer von 34 Zahnärzten mit Weiterbildungsanerkennung für Kinderzahnmedizin in der Schweiz. Er führt eine Praxis in St. Gallen.