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So macht Essen mit Kindern Freude

Kochen für kleine Kinder ist nicht immer besonders befriedigend. Wie gelingt es, die Familie gesund zu ernähren, ohne dass es zu Machtkämpfen am Esstisch kommt? Die Ernährungsberaterin Simone Kleiner gibt Tipps für mehr Entspannung am Familientisch.

Warum mäkeln viele kleine Kinder am Essen herum?
Simone Kleiner*: Das hat mehrere Gründe. Im Alter zwischen zwei und sechs Jahren durchleben viele Kinder Phasen von Neophobie. Das heisst, sie lehnen noch unvertraute Nahrungsmittel oft aus Angst ab. Das kann den Eltern viel Geduld abverlangen. In der Trotzphase steckt hinter der Ablehnung der Wunsch nach Selbstbestimmung. Manchmal werden Kinder aber zu heiklen Essern, wenn es immer wieder zu Machtkämpfen am Esstisch kommt. Seit einigen Jahren betreibe ich in meiner «Kinderküche» einen Mittagstisch. Dort beobachte ich manchmal Kinder, die bei mir Gerichte essen, die sie zuvor zu Hause verschmäht haben.

Wie können Eltern bei ihrem Kind die Freude am Ausprobieren wecken?
Grundsätzlich wird Essen vorgelebt und nicht anerzogen. Die Eltern haben also eine wichtige Vorbildfunktion für die Kinder. Wenn sie oder andere Familienmitglieder Aussagen machen wie «Grünzeug mag ich nicht» oder «Auberginen sind eklig» dürfen sie von ihrem Kind nicht erwarten, dass es den Salat oder den Auberginenauflauf mag. Am einfachsten können Eltern ihre Kinder für neue Lebensmittel begeistern, wenn sie keinen Druck ausüben, sondern selber neugierig bleiben und immer wieder mal etwas Neues ausprobieren. Damit habe ich auch in meiner Familie die besten Erfahrungen gemacht.

Wie klug sind Aufforderungen wie «Jetzt iss mal schön das Gemüse – nachher gibt’s dafür ein Dessert»?
Von Erpressung mit Essen halte ich gar nichts. Essen sollte nie als Erziehungsmittel eingesetzt werden, weder zur Bestrafung noch zur Belohnung. Ich befürworte die Gleichberechtigung aller Familienmitglieder am Esstisch. Jedes Mitglied soll selber wählen, was und wie viel es vom angebotenen Menü essen mag. Wenn Eltern aber zum Beispiel beobachten, dass ihr Kind das Hauptgericht verweigert und dafür eine doppelte Portion Dessert isst, dann können sie zum Beispiel gesunde Nachspeisen wie Obstsalat oder Fruchtcreme anstatt Schokoladenmousse oder Kuchen anbieten oder das Dessert inskünftig ganz weglassen. Ich stelle am Mittagstisch, an dem elf Kinder teilnehmen, jeweils einen Korb mit selbstgebackenem Vollkornbrot bereit, sodass sich Kinder, die den Hauptgang nicht so mögen, am Brot sattessen können.
Wenn ein Kind am Mittag aber nicht essen will, sollten die Eltern ihm nicht um 14 Uhr eine Glace anbieten, sondern mit ihm klar abmachen, wann es wieder etwas zu essen gibt.

Wie reagieren Eltern am besten, wenn ihr Kleinkind ein Lebensmittel ablehnt?
Auf keinen Fall sollten sie es zwingen, etwas gegen seinen Willen herunterzuschlucken. Ich rate Eltern, in dieser Situation gelassen zu bleiben und sich nicht in einen Machtkampf mit ihrem Kind verwickeln zu lassen. Manche Eltern starren bei jedem Essen auf den Teller ihres Kindes, was ihm natürlich nicht entgeht und ihm Macht über die Eltern verleiht.
Eltern dürfen aber auch nicht sofort aufgeben, wenn ihr Kind bei einem Lebensmittel die Nase rümpft. Es ist erwiesen, dass ein Kind ein Lebensmittel zehn- bis fünfzehnmal im Mund gehabt haben muss, damit sich die Geschmacksknospen auf seiner Zunge mit dem unbekannten Aroma oder der neuartigen Textur eines Lebensmittels vertraut machen können.
Nahrungsmittel, die ein Kind nicht auf Anhieb mag, kann man ihm auch in einer anderen Form anbieten, zum Beispiel Champignons püriert in der Suppe statt gebraten. An meinem Mittagstisch animiere ich die Kinder, alles zu probieren. Ich akzeptiere aber auch, wenn ein Kind etwas nicht mag und setze keinen Druck auf. So erlebe ich immer wieder, dass Kinder gewillt sind, Neues zu kosten.
Eltern müssen wissen, dass ein gesundes Kind nicht verhungern wird, wenn es ab und zu keine Lust auf das Abendessen hat. Kinder haben ein sehr gutes Sättigungsgefühl, das wir Erwachsene stören können, indem wir sie immer wieder auffordern, etwas zu essen, obwohl sie keinen Hunger mehr haben. Dieses angeborene Sättigungsgefühl schützt vor Übergewicht.

Viele Kinder sind Gemüsemuffel. Was empfehlen Sie hier?
Gemüse kann man in so vielen Variationen anbieten, mal als Gemüsesticks, Smoothie, Salat oder als Suppe. Zwischendurch dürfen sich Eltern auch mal etwas Verrücktes ausdenken und ihrem Kind zum Beispiel in der Badewanne Gemüsesticks anbieten oder einen Gemüse-Apéro am Boden veranstalten.
Hilfreich ist auch, Kinder beim Einkaufen von Gemüse, Salat und Früchten einzuspannen und sie beim Zubereiten einer Mahlzeit von klein auf mitwirken zu
lassen. Wenn ein Kleinkind eine Salatsauce selber anrühren darf, wird es eher vom Salat probieren.

Manche Eltern kochen Spezialmenüs für ihr Kind und sind dann doch frustriert, wenn es nicht isst. Sollen Eltern den Menüplan komplett auf ihr Kind ausrichten?
Nein, Eltern sollten unbedingt für sich kochen. Sie können aber mit ihrem Kind vereinbaren, dass es zweimal pro Woche ein Menü für die ganze Familie bestimmen darf. So fühlt es sich selbstwirksam. Bei einem kleinen Kind sollten die Eltern zwei Lieblingsgerichte zur Auswahl geben, um es nicht zu überfordern. Indem die Eltern ihr Kind mitbestimmen lassen, beugen sie Machtkämpfen vor. Lehnt es dann aber die Menüs der Eltern ab, können diese ihm ruhig sagen: «Ich würde mich freuen, wenn du heute von meinem Gericht probierst.»
Eltern, die ihrem Kind jeden Tag Pasta vorsetzen, weil es Pasta ja so gern mag, gehen den Weg des geringsten Widerstandes. Ich erachte es als eine
wichtige Aufgabe der Eltern, den kulinarischen Horizont ihres Kindes zu erweitern.

Viele Eltern ärgern sich über die Tischmanieren ihres Kindes. Wie lernen Kinder, schön zu essen?
Auch hier gilt: die Eltern haben eine Vorbildfunktion. Deshalb wäre es schön, wenn jede Familie mindestens eine Mahlzeit pro Tag gemeinsam einnimmt.
So können die Eltern die Freude an der Gemeinschaft und den Spass am Essen fördern. Die Eltern dürfen ihr Kind ruhig auch mal loben, wenn es schön isst,
zum Beispiel, indem sie ihm sagen: «Ich finde es toll, dass du schon so gut mit Messer und Gabel umgehen kannst.»

Viele Eltern kochen immer wieder das Gleiche. Wie lässt sich Langeweile am Esstisch vermeiden?
Ich empfehle Eltern, sich von Rezepten in Zeitschriften, Büchern oder im Internet inspirieren zu lassen oder einen Kochkurs zu besuchen. Sie können ihr Kochrepertoire auch vergrössern, indem sie ab und zu zusammen mit anderen Eltern kochen und Rezepte austauschen.
Sinnvoll ist, wenn Familien einen Menüplan für die ganze Woche erstellen und die neuentdeckten Rezepte einplanen. Ein Menüplan spart Zeit und Geld. Die
Eltern können so das meiste beim grossen Wocheneinkauf besorgen. Zudem laufen sie weniger Gefahr, dass Lebensmittel verderben, weil sie diese gekauft haben, ohne zu wissen, was sie damit kochen wollen.

Wie gelingt es berufstätigen Eltern, eine gesunde Mahlzeit auf den Tisch zu stellen?
Auch wer nicht so viel Zeit fürs Kochen hat, kann vollwertige Mahlzeiten auf den Tisch zaubern. Hilfreich ist zum Beispiel, wenn man immer gerüstetes, aber ungewürztes Tiefkühlgemüse vorrätig hat. Damit lassen sich unzählige Gerichte zubereiten. Nicht zuletzt empfehle ich, grössere Mengen zu kochen und diese für später einzufrieren.

Indianer-Tätschli (ergibt ca. 8 Tätschli)

Zutaten:

  • 100 g Quinoa
  • 200 ml Gemüsebrühe
  • 200 g Karotten
  • 1 Frühlingszwiebel
  • 2 Eier
  • 4 EL Dinkelpaniermehl
  • 1 TL Salz
  • Pfeffer
  • 3 EL Kokosöl
  • 150 g z. B. Nüsslisalat
  • 5 EL Sonnenblumenöl
  • 3 EL Aceto Balsamico Bianco
  • 1 EL milder Senf
  • Salz, Pfeffer

Zubereitung:

  • Quinoa mit Gemüsebrühe in einen Topf geben und zugedeckt bei mittlerer Hitze ca. 10 Minuten köcheln lassen.
  • Herdplatte ausschalten und Quinoa 5 Minuten quellen lassen, bis alle Flüssigkeit aufgesogen ist.
  • Karotten schälen und mit einer feinen Raffel dazureiben.
  • Frühlingszwiebel waschen und fein schneiden.
  • Quinoa, Karotten, Frühlingszwiebel, Eier und Paniermehl mischen und mit Salz und Pfeffer abschmecken.
  • Die Masse mit 2 Esslöffeln (oder mit den Händen) zu Tätschli formen und mit Kokosöl ca. 8 Minuten bei mittlerer Hitze braten.
  • Sonnenblumenöl mit Aceto Balsamico, Senf, Salz und Pfeffer verrühren.
  • Salat waschen, anrichten und mit der Salatsauce beträufeln.
  • Indianer-Tätschli dazu servieren.

Tipp: Dazu passt sehr gut ein Kräuterquark. Man kann die Tätschli aber auch als Burger in einem Brötchen essen.

Simone Kleiner ist Ernährungsberaterin mit Zusatzausbildung im Bereich Säuglings- und Kinderernährung. Sie bietet Kochkurse für Kinder und Eltern (www.diekinderküche.com) und Kochkurse für Erwachsene (www.simones-kochatelier.ch) an. Zudem betreut sie einen Mittagstisch für Kinder in Adliswil.