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Schlank durch den Advent

Die Vorweihnachtszeit lockt mit vielen feinen Speisen, die oft Kindheitserinnerungen wecken. Was es bei den Schlemmereien zu beachten gilt, erklärt die Ernährungsberaterin Dr. Nina Schweigert aus Kilchberg im folgenden Gespräch.

Warum wiegen viele Menschen im Winter mehr als im Sommer?
Dr. Nina Schweigert*: Für unsere Vorfahren war es lebensnotwendig und natürlich, Winterspeck anzusammeln, um nicht zu frieren. Wir sind also darauf angelegt, in der kalten Jahreszeit kalorienreicher zu essen. Das Problem ist nur, dass wir uns heute im Winter in geheizten Räumen aufhalten und uns oft weniger bewegen als im Sommer. So setzt mehr Speck an als von Natur aus vorgesehen und der geht auch nicht mehr einfach so weg.

Viele Menschen legen vor allem in der Adventszeit zu. Weshalb?
In dieser Zeit haben wir wieder mehr Appetit auf warmes, deftiges Essen. Raclette und Fondue liegen hoch im Kurs, sind aber kalorienreich. Auch die Traditionen spielen eine Rolle: Wir haben viele Einladungen und Weihnachtsguetzli locken überall. Die Adventszeit ist für viele, vor allem für Familien mit Kindern, auch mit Stress verbunden. Stress begünstigt Heisshungerattacken. Hinzu kommt, dass wir bei schlechtem Wetter das Joggen eher ausfallen lassen.

Wie liesse sich die Gewichtszunahme verhindern?
Indem wir aktiv bleiben und uns zum Beispiel zum Joggen vereinbaren, wenn es uns schwerfällt, allein rauszugehen. Wichtig ist auch, dass wir nie hungrig einkaufen gehen. Bei Süssigkeiten ist Zurückhaltung angesagt, denn um die Kalorien von vier Zimtsternen zu verbrauchen, bedarf es zum Beispiel 45 Minuten Nordic Walking. Am besten lässt man Süsses zu Hause nicht einfach offen rumstehen. Die Verlockung, immer wieder in die Schüssel zu greifen, ist zu gross. Sinnvoll ist hingegen, Obstschalen aufzustellen. Grundsätzlich empfehle ich immer Tellerservice. Wenn Pfannen oder Schüsseln auf dem Tisch stehen, schöpft man nach, obwohl man keinen Hunger mehr hat. Bei der Menüplanung sollten wir darauf achten, dass die Hälfte des Tellers immer mit Gemüse und Salat gefüllt ist. Gemüse sättigt gut und ist gesund. Wer nicht zunehmen will, isst am besten langsam und konzentriert sich aufs Essen. So ist der Bauch nicht schon randvoll, bevor das Sättigungsgefühl nach etwa zwanzig Minuten eintritt.

Welche Kardinalsünden lassen die Fettpölsterchen besonders wachsen?
Bei den einen sind es die fettigen Speisen, bei den anderen eher die Süssigkeiten, bei manchen der Alkohol. Grosse Portionen, die Kombination von Fettigem mit Süssem, Süssgetränke und Alkohol in grösseren Mengen führen zu Hüftgold. Viele unterschätzen, was sie mit Getränken an Kalorien zu sich nehmen. Ein Deziliter Wein hat zwischen 60 und 80 Kalorien. Meistens bleibt es aber nicht bei einem Glas. Alkohol und Süssgetränke haben trotz der vielen Kalorien kaum sättigende Wirkung. Auch Weihnachtsguetzli sind Kalorienbomben: Ob Brunsli, Vanillegipfeli, Kokosmakronen oder Mailänderli, alle haben sie zwischen 400 und 500 Kalorien pro 100 Gramm. Die schlimmsten Dickmacher sind jedoch Pralinen und Schokolade. Manche Sorten haben 600 Kalorien pro 100 Gramm. Da kann man fast ein Stück Butter essen.

Welche Konsequenzen kann ein übermässiger Zuckerkonsum auf unseren Körper haben?
Zucker führt dazu, dass unser Blutzuckerspiegel schnell ansteigt und abfällt, was zu Heisshungerattacken führt. Auf die Dauer begünstigt ein hoher Zuckerkonsum Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zudem kann Fruchtzucker, der zu fünfzig Prozent in unserem Haushaltszucker enthalten ist, eine Fettleber verursachen.

Gibt es eine Zuckersucht?
Offiziell gibt es diese Krankheit nicht. Viele kennen jedoch dieses Gefühl, dass sie unbedingt etwas Süsses brauchen und geben dem Wunsch schnell nach. Ob jemand süchtig nach Zucker ist, kann er oder sie am besten im Selbstversuch ausprobieren.

Wie kann man sich den Zucker abgewöhnen?
Hier empfehle ich, zwei bis drei Tage ganz auf Süsses, sogar auf Obst, zu verzichten. Damit der Versuch erfolgreich ist, sollte man zu Hause auch nichts Süsses vorrätig haben. Allerdings ist die Vorweihnachtszeit mit den ganzen Versuchungen nicht ideal dafür.

Ist eine Diät in der Adventszeit sinnvoll?
Wenn jemand schon seit einiger Zeit die Ernährung umgestellt hat, finde ich es in Ordnung, die Diät so gut wie möglich fortzusetzen. Dezember ist aber nicht die ideale Zeit, um mit einer Diät anzufangen. Mit einer strengen Diät tut man sich im Advent keinen Gefallen. Die vielen Verlockungen können leicht zu Frust führen. Zudem wäre es schade, wenn man wegen einer Diät alle sozialen Anlässe absagen würde oder die Gastgeber brüskiert, indem man nur Mikroportionen isst. Zudem ist das Risiko sehr hoch, dass der Erfolg ausbleibt. Wer eine Diät plant, sollte sich in der Adventszeit allerdings nicht extra noch den Bauch vollschlagen, bevor die Diät dann im Januar beginnt. Jedes zusätzliche Kilo macht es noch schwerer, das Traumgewicht wieder zu erreichen.

Wie kann man vernünftig gegensteuern, wenn sich eine Weihnachtsfeier nach der anderen ankündigt?
Ich würde mich erst einmal ernsthaft fragen, ob ich zu allen Feiern hingehen will. Man kann ja auch mit den Gastgebern reden, ob sich die eine oder andere Einladung nicht auf den Januar oder Februar verschieben lässt, wenn die Agenda nicht mehr so voll ist. Viele Menschen fühlen sich zu Einladungen verpflichtet, obwohl sie gerade in der Adventszeit froh wären, einen zusätzlichen freien Samstagabend zu haben. Zudem kann man ja auch absprechen, dass aus der Einladung zum 5-Gang-Menü ein Treffen zum Kaffee wird.

An diversen Weihnachtsmärkten locken viele Kalorienbomben. Wo darf man zuschlagen, wo eher nicht?
Abgesehen von Marroni gibt es an diesen Märkten nicht viel Gesundes. Wer auf seine Linie schauen möchte, trinkt lieber einen Tee anstatt Glühwein oder isst Marroni anstelle von gebrannten Mandeln. Wichtig finde ich auch, dass man Weihnachtsmärkte nicht mit leerem Magen besucht. Wenn man sich etwas gönnen will, kann man von vornherein abmachen, sich eine Portion eines Gerichts zu teilen.

Was empfehlen Sie bezüglich Weihnachtsguetzli?
Am besten verwendet man beim Backen kleine Formen. Hefegebäck wie Grittibänz hat weniger Kalorien als die klassischen Weihnachtsguetzli. Zudem empfehle ich, nicht einfach die Guetzlidose auf den Tisch zu stellen, sondern nur wenige Kekse auf einem Teller anzurichten, zusammen mit Nüssen, Trockenfrüchten und Mandarinen. Nüsse und Trockenfrüchte sind zwar auch kalorienreich, enthalten aber viele gesunde Vitalstoffe. Guetzli geniesst man in Mass am besten direkt nach einer Hauptmahlzeit und nicht zwischendurch oder gar vor dem Fernseher – das setzt weniger an.

*Dr. Nina Schweigert, diplomierte Ernährungsberaterin und Nordic-Walking- und Langlauf-Instruktorin, unterstützt Menschen, die ihre Ernährung und Gewohnheiten umstellen und langfristig überflüssige Pfunde verlieren wollen. Weitere Informationen: www.dein-ernaehrungs.coach