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Muskeltraining: Auf zum Gewichtheben!

Waschbrettbauch, muskelbepackte Oberarme und kräftige Oberschenkel: Auf dem Weg zur Traumfigur kommt man um ein Muskelaufbautraining kaum herum. Was man für einen erfolgreichen Muskelaufbau beachten sollte, erklärt PD Dr. Oliver Faude.

Fabrice Müller

Wie genau funktioniert ein Muskelaufbau?
PD Dr. Oliver Faude*: Bei einer Vergrösserung des Muskels werden die Muskelfasern dicker. Grundsätzlich unterscheidet man drei komplexe Prozesse, die mit einem Muskelaufbau in Verbindung stehen und durch einen Stimulus ausgelöst werden: Erstens die mechanische Belastung des Muskels – zum Beispiel durch wiederholendes Gewichtheben. Diese regt auf der Zellebene bzw. molekularbiologischen Ebene Prozesse an, bei denen wachstumsfördernde Substanzen wie Satellitenzellen, Wachstumsfaktoren oder Testosteron ausgeschüttet werden. Zweitens kann es durch die Kraftbelastung des Muskels zu Mikroschädigungen der Muskelfasern und im Bindegewebe kommen. Dies führt zu Reparaturvorgängen, die für eine Vergrösserung und Stärkung des entsprechenden Muskels sorgen. Als dritter Prozess werden durch metabolischen Stress Stoffwechselvorgänge freigesetzt, was das Muskelwachstum ebenfalls fördert. 

Worauf sollte man beim Muskelaufbau achten – zum Beispiel als Einsteiger?
Wer mit Krafttraining beginnt, sollte sich professionelle Hilfe holen und beraten lassen. Zuerst gilt es, die Bewegungen beim Krafttraining richtig zu lernen und technisch korrekt auszuführen. Erst dann ist an eine Erhöhung der Gewichte zu denken. Wird das Muskel- und Skelettsystem mit den Bändern und Sehnen hingegen falsch belastet, kann es zu Fehlhaltungen und anderen Komplikationen kommen.

Welche Faktoren sind für einen erfolgreichen Einstieg in das Muskelaufbautraining massgebend?
Der Zustand der Muskeln zu Beginn ist natürlich entscheidend. Wer lange nicht oder bisher noch gar nie trainiert hat, sollte zuerst den «Motor» für die Muskelbewegungen vergrössern und langsam mit dem Muskelaufbau beginnen. Durch eine bessere Ansteuerung des Muskels lässt sich dann zusätzlich dessen Kraft steigern. Deshalb braucht es beim Muskelaufbau stets auch eine Anpassung auf der Nervenebene. Wichtig ist, eine Kraft über einen längeren Zeitraum auszuhalten. Erst dann kann sich der entsprechende Muskel ausdehnen.

Muskeltraining gilt ja eher als Männersache. Sind Frauen hier im Nachteil?
Die anabolen Hormone, die beim Muskelaufbau beteiligt sind, kommen bei Frauen in geringeren Mengen vor als bei Männern. Aus diesem Grund bildet das weibliche Geschlecht weniger Muskelmasse als das männliche. Bezogen auf das Körpergewicht haben Frauen aber ähnlich viel Kraft wie Männer. Für die Trainingsgestaltung ergeben sich keine relevanten Unterschiede.

Welche neuen Erkenntnisse hat man heute rund um den Muskelaufbau?
Aus der Forschung weiss man zum Beispiel, dass es für den Muskelaufbau gewisse Mindestlasten braucht. Zwischen sechs und zwölf Wiederholungen sollten mit einem Gewicht möglich sein, um auf der mechanischen und metabolischen Ebene Prozesse zum Muskelaufbau auszulösen. Eine neue Erkenntnis ist allerdings, dass man das Muskelwachstum auch fördern kann, indem man den Muskel bereits mit einem geringen Gewicht so lange bewegt, bis es nicht mehr geht. Anstelle von sechs bis zwölf braucht es mit dieser Methode dann einfach deutlich mehr Wiederholungen, um den gleichen Aufbaueffekt im Muskel zu erzielen. Weiter hat man herausgefunden, dass durch die Reduktion des Blutflusses zum Muskel, zum Beispiel durch eine Manschette, ein Sauerstoffmangel in ihm entsteht; dies wiederum fördert den Muskelaufbau ebenfalls. Es braucht bei dieser Art von Muskeltraining keine grossen Lasten, was die Gelenke, Bänder und Sehnen schont. Die Arbeit mit der Manschette ist allerdings nicht immer angenehm. Ich empfehle hier eine professionelle Betreuung.

Welche Fehler sollten vermieden werden?
Fehlhaltungen, eine falsche Technik und zu schnelle Steigerung der Trainingsbelastung sind die häufigsten Fehler. Daneben gibt es noch einzelne Methoden, die ebenfalls Risiken bergen. Die Stimulation der Muskeln mit Elektroden bzw. elektrischen Stössen ist beispielsweise eine Methode, zu der es kaum wissenschaftliche Daten gibt, die eine Wirksamkeit belegen. Hier kann es allerdings zu massiven Muskelschädigungen bis hin zu Nierenversagen kommen.

Wie weit darf man gehen, um «Sixpacks» und andere Muskelpakete aufzubauen?
Solange man korrekt trainiert, spricht nichts gegen ein intensives Training. Man kann aber auch zu viel trainieren. Besonders Einsteiger sollten langsam beginnen, auf ihren Körper achten und sich mittel- bis langfristige Ziele setzen. So lässt sich eine Überlastung der Muskeln verhindern. Wer seine Muskeln durch falsches Training überlastet, verhindert nicht nur den Muskelaufbau, sondern verursacht möglicherweise auch Schäden am Skelett und auf psychischer Ebene. Fazit: Wer langfristig aktiver sein will, sollte sich genügend Zeit geben, sein eigenes Tempo zu finden und die Trainingsintensität langsam steigern.

Ab wann ist es für den Körper zu viel?
Wenn der Muskel zu stark belastet ist und sich Schmerzen bemerkbar machen – oder wenn auf der Knochenebene, bei den Sehnen und Bändern Probleme auftauchen. Ganz zu schweigen von der psychischen Ebene: Falsches Training macht irgendwann keinen Spass mehr.

Wie gesund lebt die Bodybuilder-Szene?
Wer eine möglichst hohe Muskelkraft erreichen möchte, sollte eher ein Gewichthebetraining absolvieren. Bodybuilding ist eine körperformende Art des Krafttrainings und prinzipiell für die Gesundheit positiv. Hier werden die Muskeln aus ästhetischen Gründen aufgebaut und geformt. Gelegentlich werden im Bodybuilding und Kraftsport wie auch in anderen Sportarten missbräuchlich Medikamente bzw. verbotene muskelaufbauende Substanzen eingenommen, um im Training oder Wettkampf bessere Leistungen zu erbringen. Solche Substanzen wie auch Fehlbelastungen können zu gesundheitlichen Problemen führen.

Wie sinnvoll sind Muskelaufbaupräparate?
Die wichtigste Substanz für den Muskelaufbau sind Proteine. Daher kann man häufig entsprechende Präparate kaufen. Für den Muskelaufbau empfiehlt sich eine tägliche Eiweisszufuhr von einem bis zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Grundsätzlich ist es möglich, diese Menge über die normale Ernährung aufzunehmen, sodass zusätzliche Präparate nicht notwendig sind.

* PD Dr. Oliver Faude ist Leiter des Fachbereichs Bewegungs- und Trainingswissenschaft am Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit der Universität Basel (www.dsbg.unibas.ch).