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Gesunde Gelenke: In Bewegung bleiben!

Schonen und bloss keinen Sport mit Schlägen auf die Gelenke ausüben? Der Rheumatologe Dr. med. Christoph Reich-Rutz räumt im Gespräch mit alten Mythen auf und sagt, was man für gesunde Gelenke alles tun kann.

Ist Gelenkschonung immer wichtig und richtig? Und kann gelenkschonendes Verhalten eine Arthrose verhindern?
Dr. med. Christoph Reich-Rutz*:
Grundsätzlich gilt, dass wir unsere Gelenke benutzen müssen, damit sie gesund bleiben. Denn jeder sinnvolle Gebrauch macht sie resistenter und bessert die Gelenkfunktion. Das hängt damit zusammen, dass Gelenken, die zu wenig bewegt werden, die Gelenkflüssigkeit fehlt. Diese braucht es aber für die Versorgung der Knorpelzellen mit Nährstoffen. Eine Entlastung verschlechtert also die Gelenkfunktion, ebenso wie eine übermässige oder einseitige Fehlbelastung. Das Ziel sollte demnach sein, dass wir unsere Gelenke regelmässig und in einer konstruktiv angepassten Dosis einsetzen. Zu vermeiden sind beispielsweise Gelenkschmerzen bereits während oder einen Tag nach der Belastung. Passiert dies einmal, hat das vielleicht noch keine Konsequenzen, aber wenn mehrmals überbelastet wird, nutzt das die Gelenke ab. Jede Person sollte sich deshalb fragen, ob sie gut genug vorbereitet ist auf die Beanspruchung.

Was ist, wenn man eine Arthrose hat. Welche Sportart ist empfehlenswert?
Wichtig: Wir sollen einen Sport ausüben, der uns Freude macht. Es ist sinnlos, eine Sportart zu empfehlen, für die sich jemand nicht erwärmen kann, nur weil diese «gut» für die Gelenke ist. Wer aber beispielsweise 50 Jahre alt ist und bereits unter Knieschmerzen leidet, sollte nicht unbedingt mit Tennisspielen anfangen. Wichtig ist auch, dass die Sportdauer und -frequenz dem Körper angepasst wird. Zudem muss man die Sportart technisch beherrschen, und da empfehle ich einen Coach, der beispielsweise in eine neue Sportart einführt.
Dann wird auch immer wieder vor den berüchtigten Gelenkschlägen bei den Kontaktsportarten gewarnt oder man solle nicht joggen, aber Velo fahren, wenn man Gelenkschmerzen oder Arthrose hat. Das ist meiner Meinung nach ebenfalls überholtes Wissen. Nehmen wir beispielsweise einen Jogger, der wegen Knieschmerzen nur noch mit dem Velo fährt. Wenn der Betreffende in die Situation kommt, doch joggen zu müssen, beispielsweise, weil er auf den Zug rennen muss, dann ist das Kniegelenk nicht auf die Belastung eingestellt und wird überlastet, weil es nicht mehr für das Joggen trainiert wurde. Gelenke brauchen Bewegung! Es hat beispielsweise auch viele Wanderer, die auf der ganzen Wanderung beide Stöcke einsetzen. Sie verlernen dadurch, das Gleichgewicht zu halten und entlasten die Gelenke unnötig stark. Für die Gelenke wäre es aber besser, wenn die Person bei steilen Strecken bergab die Stöcke nimmt und bei weniger steilen Abschnitten nicht.

Welche Faktoren führen zur Arthrose und warum sind einige Menschen eher gefährdet als andere?
Die Veranlagung spielt eine ganz wichtige Rolle. Zu rund 50 Prozent ist es erblich bedingt, ob wir eine Arthrose entwickeln oder nicht. Bei den restlichen 50 Prozent sind es Unfälle und Verletzungen, bei denen die Gelenkflächen mitbeteiligt sind, die zur Arthrose führen können. Oftmals erinnern wir uns an diese Gelenkverletzungen nicht mehr, weil sie in der Kindheit passiert sind, aber das ehemals verletzte Knie schmerzt und hat Arthrose, das andere Knie hingegen nicht. Auch haben Menschen mit O- und X-Beinen ein grösseres Risiko, eine Arthrose zu entwickeln. Häufiger betroffen sind zudem Menschen mit Übergewicht oder mit extrem hohen Gelenkbelastungen. Allerdings müssen wir auch akzeptieren, dass Arthrose einfach Teil eines normalen Alterungsprozesses ist.

Hat es Frühwarnsignale, die darauf hinweisen, dass sich eine Arthrose entwickelt?
Diese hat es leider nicht. Treten Symptome wie beispielsweise der morgendliche Anlaufschmerz auf, liegt meist schon eine Gelenkabnutzung vor.

Welche Rolle spielt die Ernährung?
Ernährung kann den Entzündungsschmerz der Arthrose beeinflussen. Arthrose selber schmerzt nicht oder ist kein schmerzhafter Zustand, ausser die Gelenke sind sehr stark abgenutzt. Schmerzhaft sind hingegen entzündliche Prozesse im Gelenk, die bei ungünstiger Belastung mit einer Arthrose einhergehen können. Und diese können wir über Ernährung beeinflussen. Meerfisch, Oliven- und Rapsöl haben viele Omega-3-Fettsäuren. Diese mehrfach ungesättigten Fettsäuren haben das Potenzial der Entzündungshemmung und sind deshalb gute und gesunde Nahrungsmittel für unsere Gelenke.

Welche Bedeutung hat der Säure-Basen-Haushalt in Bezug auf die Entwicklung einer Arthrose?
Grundsätzlich kann zu viel Säure im Körper die Beschwerden einer Arthrose verstärken. Insbesondere kann eine sehr fleischhaltige Ernährung zu einer Anreicherung von Säure führen und Entzündungsreaktionen im Körper forcieren. Deshalb ist es sinnvoll, vermehrt pflanzliche Proteine einzunehmen und den Fleischkonsum auf zwei- bis dreimal pro Woche zu reduzieren. Stattdessen sollen Gemüse und Früchte bevorzugt werden, dann braucht es auch kein Basenpulver. Aber Ernährung ist immer ein Aspekt vom Ganzen. Ob und wie die Ernährung auf die Gelenke wirkt, muss jeder auch selber ausprobieren.

Wann kann ein Gelenkersatz sinnvoll sein?
Der Körper muss sich bewegen können, sonst wird an Muskelkraft abgebaut, die Gelenke sind weniger resistent und das Herz-Kreislauf-System wird zu wenig trainiert. Ein Gelenkersatz macht dann Sinn, wenn trotz Physiotherapie, einer medikamentösen Behandlung und einer optimalen Belastung die Bewegung im Alltag eingeschränkt ist.

Welche Vorteile hat es, dass Sie sowohl Rheumatologe als auch Sportmediziner sind?
Ich denke, durch diese Kombination bin ich in Bezug auf Sport und Bewegung stärker sensibilisiert.

Was ist eigentlich Arthrose?

Gelenke verbinden Knochen miteinander. Zum Gelenkspalt hin sind die Knochen mit einer dünnen Schicht aus Knorpel überzogen. Bei einem gesunden Gelenk hat der Knorpel eine glatte und gut geschmierte Oberfläche. Bei einer Arthrose ist dieser Knorpel geschädigt, abgenutzt bis zur kompletten Zerstörung – es reibt dann Knochen auf Knochen.

Jedes menschliche Gelenk kann von Arthrose betroffen sein. Am häufigsten trifft es das Knie-, das Hüftgelenk und die Fingergelenke.
Quelle: www.rheuma.ch

*Dr. med. Christoph Reich-Rutz ist Rheumatologe und Sportmediziner mit Praxis in Zürich.