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Lassen Sie Ihre Faszien tanzen

Wer fit sein und sein Unfallrisiko bei Sportverletzungen verringern möchte, trainiert oftmals Kraft und Kondition. Doch die Faszien zu pflegen, ist genauso wichtig. Denn sie verleihen dem Körper Stabilität und Flexibilität.

Der Begriff «Faszien» stammt aus dem Lateinischen und heisst übersetzt «Band», «Bandage» oder «Binde». Faszien sind Bindegewebe. Durch die «Faszienforschung» der letzten Jahre hat sich allerdings der modernere Begriff «Faszie» durchgesetzt. Faszien sind faserreich, rund ein bis drei Millimeter dick, bestehen zu rund siebzig Prozent aus Wasser und sehen wie ein Netz aus, das unsere Gelenke, Organe, Muskeln und auch das Gehirn und Rückenmark umschliesst. In Abhängigkeit vom jeweiligen Körperbereich unterscheiden sich Faszien in Form und Aufbau für die spezifischen Anforderungen im Körper. Aber die Faszie ist nicht nur wie eine äussere Hülle, sie bildet darüber hinaus ein so feinmaschiges Geflecht, dass nicht nur der ganze Muskel in dieses fasziale Netz verpackt ist, sondern jeder einzelne Muskelstrang und jede einzelne Muskelzelle. Faszien durchziehen den Körper dann wie ein Bodysuit von Kopf bis Fuss. Ohne Faszien würden die Muskeln beispielsweise ihre Form verlieren, die Knochen ihren Halt und die Organe würden sich im Körperinneren verschieben. «Zudem ist die Faszie durch Millionen von Nervenendigungen durchzogen», ergänzt die Physio- und Faszientherapeutin Adrienne Schmidt. «Dadurch unterstützt sie die Körperwahrnehmung und zeigt dem Menschen, wie er im Raum steht und sich bewegt. Sie kann auch Schmerzen wahrnehmen.»

Faszien: Wissen um die Bedeutung nimmt zu

Bis vor einigen Jahren wurde den Faszien wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Im Sport ging es vornehmlich um das Training der Muskelgruppen oder des Kreislaufs. Neue Forschungsergebnisse zeigen allerdings, dass Faszien auf verschiedene Reize reagieren, darunter fallen psychischer Stress oder Überlastung durch zu viel Sport ebenso wie Unterforderung durch Bewegungsmangel. Unter solchen Bedingungen verdicken, verkleben und verfilzen sich die eigentlich elastischen Faszien. Zu den Folgen zählen Gelenk- oder Rückenschmerzen, Bewegungseinschränkungen, aber auch das Balancegefühl kann abnehmen. Wer beispielsweise unter Stress den ganzen Tag hinter dem Computer sitzt und sich kaum bewegt, verspürt oftmals Verspannungen oder Steifheit im ganzen Körper, insbesondere im Nackenbereich. Ohne Entlastung würde der Faszientonus immer weiter zunehmen, sodass sich die Faszien zusammenziehen. Schmerzhafte Verspannungen, Steifheit bis hin zur Diskushernie, also einem Bandscheibenvorfall, können dann die Konsequenz sein.

Faszientechniken: Von Massagen bis Tai-Chi

Therapeutisch lassen sich diese Verklebungen durch verschiedene Faszientechniken lösen. Das können Massagen des Physiotherapeuten sein, der mit wenig oder sogar ohne Öl die Haut packt und langsam sanft in alle Richtungen bewegt. Das heute bekannteste «Symbol» des Faszientrainings ist jedoch die «Blackroll». Im Gegensatz zum herkömmlichen Training ermöglicht die Rolle eine Form der Selbstmassage. Denn der Druck, der normalerweise von der Hand eines Masseurs ausgeht, wird bei der Rolle vom eigenen Körpergewicht ausgelöst. «Für sehr schlanke Menschen kann diese Technik aber recht schmerzhaft sein», sagt Adrienne Schmidt. Wirksamer, weil angenehmer, sei dann das Rollen über eine weiche Pilatesrolle oder über einen Sensiball mit weichen Noppen. Insgesamt soll die Massage – unabhängig davon, ob diese mit der Blackroll, dem Sensiball oder der weichen Pilatesrolle erfolgt – mindestens eine Minute andauern. «Zu kurze Einheiten lösen verklebtes Bindegewebe nicht», erklärt sie den Grund. Faszientraining umfasst aber noch viel mehr: Auch Dehnübungen aus dem Yoga, dem Pilates, Tai-Chi oder Schwing- und Wippbewegungen gehören zum Faszientraining. «Auch federnde Sprünge können dabei helfen, Elastizität wiederzuerlangen», ergänzt Adrienne Schmidt. «Die Bewegung und Dehnung bringt mehr Flüssigkeit in die Faszie und macht diese beweglich, wie ein Spinnennetz, das voller Wassertropfen ist.»

Positive Wirkung auch auf die Psyche

Noch wenig bekannt ist zudem, dass sich gesunde Faszien auch auf die Stimmung positiv auswirken. In einer Studie stand für die Teilnehmer ein tägliches Ausrollen der Fussfaszie mit einer kleinen Rolle für mindestens zehn Minuten über drei Wochen auf dem Programm. Zum Ergebnis zählte, dass nicht nur körperliche Probleme wie Schmerzen, Steifigkeit und Schwindelattacken signifikant reduziert wurden, sondern auch psychologische Effekte, wie die Abnahme von Zeichen einer depressiven Verstimmung, klar erkennbar waren. Faszientraining ist laut Adrienne Schmidt deshalb auch bei Depressionen oder einem Burn-out gut für die Stimmungslage.

Gruppenkurse der Rheumaliga Schweiz

Zudem macht die Kombination von Schmerzreduktion, Beweglichkeit und Stressabbau das Faszientraining insbesondere auch für Schmerzpatienten interessant. Die Rheumaliga Schweiz bietet regelmässig «Faszientraining – Bewegung von Kopf bis Fuss» als Gruppenkurs an verschiedenen Orten der Schweiz an. Interessierte können sich bei der Rheumaliga Schweiz nach solchen Kursen erkundigen (www.rheumaliga.ch). Adrienne Schmidt ist jedenfalls überzeugt, dass Faszientraining viel mit der inneren Haltung und Einstellung zu tun hat: «Faszientraining ist eine Bewegung im Hier und Jetzt. Es schult die Achtsamkeit für den eigenen Körper und ist deshalb ein wertvolles Mittel für bleibende Gesundheit.»

Faszientraining für Rücken und Nacken

Wirbelschlange: Gehen Sie auf einer Matte in den Vierfüsslerstand. Räkeln Sie sich nach rechts und links wie eine Katze, die sich an einem Bein hochschieben möchte. Gehen Sie zusätzlich im Rhythmus der Atmung in den Katzenbuckel und anschliessend ins Hohlkreuz. «Die Kombination der Bewegungen führt zu einer horizontalen und vertikalen Verschiebung der Wirbelsäule und trainiert so optimal die Faszien», sagt Adrienne Schmidt.

«Roll-down»: Nehmen Sie im Stand eine aufrechte Position ein. Rollen Sie das Kinn nach unten und weiter bis zur Brustwirbelsäule und zur Hüfte bis die Arme den Boden berühren (wenn möglich) und wieder zurück.