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Stimmverlust: Wenn die Stimme wegbleibt

Sind Sie oft heiser oder versagt Ihre Stimme ab und zu komplett? «Das kann ganz unterschiedliche Ursachen haben», sagt der Experte und erklärt, was hilft und was man besser vermeiden sollte.

Sprechen, singen, sich gut hörbar mitteilen: Erst wenn sie ganz oder teilweise wegbleibt, merken wir, wie sehr wir auf unsere Stimme angewiesen sind. Meistens sind Stimmprobleme eine Begleiterscheinung einer Erkältung oder der Grippe. Doch nicht immer ist ein Infekt am erbärmlichen Krächzen oder einer zwangsläufigen Redepause schuld. Wir haben mit Dr. med. Stephan Schneider, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen, über Ursachen und Therapien gesprochen.

Herr Dr. Schneider, was passiert, wenn unsere Stimme versagt?
Dr. med. Stephan Schneider*:
Dann funktioniert das Zusammenspiel bestimmter Nerven und Muskeln des Stimmapparates nicht richtig (siehe Box). Das kann ganz unterschiedliche Ursachen haben.

Welche sind das?
Grundsätzlich unterscheidet man sechs verschiedene Auslöser von Stimmstörungen:

  • die angeborene Fehlbildung,
  • ein posttraumatisches Ereignis, also eine psychisch bedingte Ursache,
  • Neubildungen wie Tumoren, Zysten oder Ödeme, die man häufiger bei Rauchern beobachtet,
  • eine funktionelle Störung, die sich durch fehlerhaften Stimmgebrauch entwickeln kann,
  • eine neurogene Ursache, bei der mindestens ein Nerv beeinträchtigt ist und letztlich
  • eine Entzündung, die zum Beispiel wegen einer Erkältung entsteht.

Aber meistens sind solche Stimmprobleme doch eher harmlos, oder?
Überwiegend schon. Häufig steckt eine Erkältung oder Grippe dahinter, die zu einer Entzündung der Stimmbänder oder einer Kehlkopfentzündung (Laryngitis) führt. Die Symptome reichen von Heiserkeit bis hin zum kompletten Stimmverlust und bestehen vorübergehend. Ab und an sehe ich Knötchen auf den Stimmlippen oder eine Stimmlippenlähmung. Glücklicherweise ist dafür eher selten ein Tumor am Kehlkopf oder in der Lunge verantwortlich.

Wieso kann ein Tumor in der Lunge die Stimmfunktion beeinträchtigen?
Ein für die Funktion des Stimmapparats wichtiger Nerv, der Nervus reccurens, verläuft bis in den Brustkorb. Beeinflusst der Tumor den Nerv in der Lunge, kann das zu einer einseitigen Stimmlippenlähmung führen.

Kommt es nach längerer Heiserkeit zwangsläufig zu einem Stimmverlust?
Eine Heiserkeit, also eine raue, kratzige Stimme, kann sich bis hin zu einem Stimmverlust entwickeln – muss sie aber nicht: Oft bessern sich die Symptome von alleine, etwa dann, wenn eine Erkältung dahintersteckt und diese abklingt.

… und wenn es nicht besser wird?
Besteht eine Stimmstörung nach einem Infekt über vier Wochen oder ganz ohne Erkältung oder Grippe über zwei Wochen weiter, dann sollte man einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt aufsuchen.

Wie geht der Spezialist vor?
Zuerst kommt die Anamnese, das Patientengespräch: Dabei werden die Symptome besprochen und es wird unter anderem geklärt, wie lange bereits Beschwerden bestehen. Dann folgt die Untersuchung: Damit der Arzt den tief im Hals sitzenden Stimmapparat begutachten kann, muss er sozusagen um die Ecke gucken. Das gelingt mit einem Kehlkopfspiegel (Laryngoskop). Er benutzt eine Winkeloptik von 70 bis 90 Grad oder das sogenannte Fiberendoskop, einen dünnen Schlauch mit Kamera am Ende: Dieses wird über ein Nasenloch in den Hals eingeführt. Arzt und Patient können die Untersuchung gemeinsam live auf dem Monitor verfolgen. Sie ist schmerzfrei und bei Bedarf unterdrückt ein Betäubungsspray den Würgereiz.

Wer ist besonders anfällig für Stimmprobleme?
Menschen, die aus beruflichen Gründen stärker ihre Stimme beanspruchen, also Lehrpersonal oder Sängerinnen und Sänger. Sie neigen eher zu Stimmüberlastungsknötchen, Zysten oder auch zu Stimmbandlähmungen. Dann heisst es für den Patienten: Stimme schonen! Begleitend kann eine Stimmtherapie beim Logopäden sinnvoll sein: Dort erlernt man Techniken für einen pfleglicheren Umgang mit der Stimme.

Wie kommt es, dass manche Menschen ausschliesslich morgens heiser sind?
Speziell in der kalten Jahreszeit ist die Luft im Schlafzimmer zu trocken. Hinzu kommt, dass einige Leute schnarchen und durch den Mund atmen, was aufgrund der fehlenden Befeuchtung durch die Nasenschleimhäute die Atemluft noch mehr austrocknet. Solche Symptome können aber auch durch aufsteigende Magensäure während der Nacht, dem sogenannten Reflux, verursacht werden.

Was hilft, wenn die Stimme versagt?
Wenig. Am besten ist es, gar nicht zu sprechen! Dadurch werden die Stimmbänder nicht ständig gereizt und die Entzündung heilt ab. Es ist hilfreich, Bonbons mit Kräutern wie Salbei, Thymian oder Spitzwegerich zu lutschen. Diese wirken entzündungshemmend, fördern den Speichelfluss und befeuchten die Schleimhäute. Letzteres tut auch ein Luftbefeuchter.

Welche Therapieoptionen bestehen darüber hinaus?
Ist ein bakterieller Infekt ursächlich, können Antibiotika eingesetzt werden. Bei einer einseitigen Stimmlippenlähmung lässt sich mit Logopädie viel erreichen, bei einem Tumor bleibt meist nur eine Operation. Stimmbandschwellungen sind gut mit entzündungshemmenden Medikamenten wie Kortison behandelbar. Bei spezifischen Fragen schicke ich die Patienten zum Phoniater, einem auf den Stimmapparat spezialisierten HNO.

Kann man einer Heiserkeit vorbeugen?
Eine Überbelastung der Stimmbänder vermeiden, die Stimme vernünftig einsetzen. Nicht pausenlos schreien, zum Beispiel in lauter Umgebung. Wer nicht raucht, vermindert nicht nur sein Krebsrisiko, sondern auch, durch ein Ödem dauerhaft heiser zu sein.
Wenn jemand viel singt, sollte er bei einem Stimmtrainer oder einem/einer Logopäden/Logopädin lernen, die Stimme richtig einzusetzen, um Schädigungen der Stimmbänder vorzubeugen.

Ihr persönlicher Tipp gegen Heiserkeit?
Regelmässig Kräuterbonbons lutschen!

So funktioniert die Stimme

Die Stimmbänder mit den Stimmlippen befinden sich im Inneren des Kehlkopfes. Als Stimmritze wird der Spalt zwischen den beiden Stimmlippen bezeichnet. Beim Sprechen oder Singen wird die eingeatmete Luft durch die Stimmritze ausgeatmet: Dabei werden die beiden Stimmbänder in Schwingung versetzt. Je nach Spannung entstehen dabei tiefe oder hohe Töne. Bei Heiserkeit ist der Schliessmechanismus der Stimmbänder gestört. Ein kompletter Stimmverlust ist möglich, sobald mindestens eine der beiden Stimmlippen unbeweglich (gelähmt) ist.

*Dr. med. Stephan Schneider ist Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen am HNO Zentrum Thun.